Eine überwältigende Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wünscht sich bei Lebensmitteln zuverlässige Angaben darüber, woher die Zutaten stammen. Das haben Umfragen – etwa durch infratest dimap im Mai 2014 – ergeben. Am Donnerstag (12.05.2016) stimmt das EU-Parlament über eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Milch, Milchprodukten und verarbeitetem Fleisch ab. Das Votum könnte Signalwirkung haben. „Neun von zehn Konsumentinnen und Konsumenten wollen klare Herkunftsangaben bei Lebensmitteln. Das darf das EU-Parlament nicht ignorieren“, sagte Lena Blanken, Expertin für Lebensmittelkennzeichnung bei der Verbraucherorganisation foodwatch. „Verbraucherinnen und Verbraucher müssen endlich das Recht haben zu erfahren, woher ihre Lebensmittel kommen. Eine verbindliche Herkunftskennzeichnung für alle Hauptzutaten ist überfällig.“
Bisher muss in der Europäischen Union die Herkunft für das meiste frische Obst und Gemüse verpflichtend angegeben werden. Bei frischen Eiern haben Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, einen Code zu dechiffrieren, der Auskunft über den Legeort gibt. Und bei unverarbeitetem Rindfleisch wurde eine Kennzeichnungspflicht in Folge des BSE-Skandals eingeführt. Diese gilt seit dem vergangenen Jahr auch für unverarbeitetes Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch. Herkunftsangaben bei Milch, Milchprodukten und verarbeitetem Fleisch (also zum Beispiel Wurst und Schinken aber auch in Lasagne oder Gulasch) hat die Lebensmittelindustrie dagegen bislang verhindert. Sie verweist dabei immer wieder auf die angeblich zu hohen Kosten.
Doch dass Herkunftsangaben die Produkte nicht viel teurer machen, beweist die Firma Frosta. Der Hamburger Tiefkühlhersteller nennt die Ursprungsorte auf der Verpackung – und veranschlagt dafür laut eigenen Angaben nur wenige Cent. Dazu sagte foodwatch-Expertin Lena Blanken: „Am Geld kann es nicht liegen, dass sich die Branche und die Europäische Union so vehement gegen Transparenz bei der Herkunft stemmen. In Wahrheit sind die Gründe ganz andere: Die Lebensmittelwirtschaft kann oder will die Rückverfolgbarkeit der Zutaten bis heute nicht gewährleisten, und die EU will die Verhandlungen über Handelsabkommen wie TTIP nicht mit der Forderung nach konsequenter Herkunftstransparenz belasten.“
In der Europäischen Union wird schon seit mehr als fünf Jahren über verpflichtende Herkunftsangaben bei Lebensmitteln debattiert. Weil sich das EU-Parlament nicht einigen konnte, wurde die EU-Kommission beauftragt, die Folgen für eine Kennzeichnung einzelner Lebensmittelgruppen abzuschätzen. Die Ergebnisse dieser Prüfaufträge liegen inzwischen vor. Sie prognostizieren Mehrkosten durch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung und sprechen sich deshalb bei Milch und Milchprodukten nur unter Vorbehalt für bzw. bei Fleisch als Zutat gegen entsprechende Maßnahmen aus.
Der zuständige Fachausschuss des EU-Parlaments hatte demgegenüber im März mehrheitlich für verpflichtende Herkunftsangaben bei Milch, Milchprodukten und Produkten mit Fleisch gestimmt. Würde das Plenum diesem Votum folgen, wäre das ein starkes Signal an die EU-Kommission. Zwar ist die Resolution des Parlaments rechtlich nicht bindend, die Kommission wäre aber aufgefordert, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der endlich die Wünsche der allermeisten Verbraucherinnen und Verbraucher respektiert.