Superfood – dieser Begriff geistert ständig durch die Presse, taucht als Werbeslogan auf, findet Anklang bei gesundheitsbewussten Menschen. Lebensmittel wie Goji-Beeren, Granatapfel und Acai zählen dazu, sie sollen unglaublich gesund sein. Auch Chia-Samen werden als Superfood angepriesen. Aber werden sie dieser Aussage gerecht?
Die Mexikanische Chia gehört zur Gattung der Salbeipflanzen. Für die Ernährung der Mayas und Azteken spielte das Pseudogetreide bereits vor 5000 Jahren eine wesentliche Rolle, und auch andere amerikanische Ureinwohner schätzen es seit Jahrhunderten als sattmachende Zutat. Erstmals wurde die Pflanze im 15. Jahrhundert von den Spaniern nach Europa gebracht, geriet aber wieder weitgehend in Vergessenheit.
Seit 2009 Einfuhr von Chia-Backwaren
In den letzten Jahren entwickelte sich in den USA ein regelrechter Chia-Boom. Daraufhin überprüfte auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, ob eine Einfuhr nach Europa unbedenklich ist. 2009 erlaubte sie Backwaren, die maximal fünf Prozent Chia-Samen enthalten. 2013 erhöhte die Behörde den erlaubten Anteil auf zehn Prozent und stimmte auch dem Import von ganzen Chia-Samen als verpacktes Lebensmittel zu, wobei eine tägliche Aufnahme von höchstens 15 Gramm empfohlen wird. „Diese Verzehrsmenge gilt als gesundheitlich unbedenklich, solange Langzeituntersuchungen hierzulande noch fehlen“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Die Behörden der USA raten zu einem Chia-Konsum von maximal 48 Gramm am Tag.
Chia-Fans mischen die eher neutral schmeckenden Samen in Müslis, Smoothies, Pudding oder Marmelade. Sie essen die Samen auch in Teigwaren wie Crackern, Pfannkuchen und Brot. Oder sie streuen einfach einen Löffel voll als Topping über Joghurt oder Eis. Nach dem Keimen bereichert Chia in Form von Sprossen den Salat. Die vielseitig verwendbare Zutat findet auch hierzulande eine wachsende Anhängerschaft. Gahl beobachtet vor allem bei Veganern hohe Sympathiewerte, weil die Samen als pflanzliches Bindemittel tierische Zutaten ersetzen können: „Aufgegossen mit Wasser, Soja-, Reis- oder Mandelmilch bilden die Samen ein sättigendes Gel, das sich bei Backrezepten statt Eiern verwenden lässt.“ Auch Gelatine und Agar-Agar seien dadurch austauschbar.
Inhaltsstoffe: Antioxidantien, Mineral- und Ballaststoffe
Ist Chia nun ein Superfood? „Tatsächlich enthalten die Samen eine Reihe interessanter Inhaltsstoffe, zum Beispiel fünfmal soviel Kalzium wie Milch“, sagt Ernährungswissenschaftler Harald Seitz vom aid infodienst für Ernährung in Bonn. Der Eisengehalt von Chia-Samen übertrifft den von Spinat. Auch beinhalten sie viele Antioxidantien, wie zum Beispiel Phenolsäuren. Diesen Wirkstoffen wird nachgesagt, dass sie im Körper als Radikalfänger die Zellen schützen.
Ein Drittel des Gewichts machen Ballaststoffe aus, die als verdauungsfördernd gelten und durch ihr Aufquellen für ein anhaltendes Sättigungsgefühl sorgen. Weil sie ähnlich wie indischer Flohsamen ein Vielfaches an Wasser binden können, sollte man zu Chia-Samen immer ausreichend Flüssigkeit trinken – sofern aus ärztlicher Sicht nichts dagegen spricht. Machen die kleinen Körner so satt, dass sie eine Geheimwaffe fürs Abnehmen sind? „Dafür fehlt bisher der wissenschaftliche Nachweis“, sagt Seitz. „Und natürlich kommt es ganz stark darauf an, was Sie abgesehen von den Chia-Samen noch alles essen.“
Hochwertige Proteine und Fettsäuren
Mit einem Proteingehalt von über 16 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm übertreffen Chia-Samen Getreidesorten wie Weizen, bei einer relativ hohen Wertigkeit des pflanzlichen Eiweißes. „Trotz des stattlichen Proteingehalts wurden bisher keine Nebenwirkungen wie Nahrungsmittelallergien durch den Verzehr ganzer oder gemahlener Chia-Samen bekannt“, erläutert Gahl. Allerdings müsse das allergene Potenzial erst noch weiter erforscht werden.
Zu etwa 30 Prozent bestehen Chia-Samen aus Fett. „Vor allem ist die essenzielle, mehrfach ungesättigte Fettsäure alpha-Linolensäure enthalten. Daraus kann der Körper gewisse Mengen langkettiger Omega-3-Fettsäuren wie EPA und DHA bilden, die sonst nur über Fisch aufgenommen werden“, sagt Gahl. Diese Fettsäuren gelten unter anderem als entzündungshemmend. „Omega-3-Fettsäuren sind auch dafür bekannt, dass sie sich positiv auf das Lipidprofil des menschlichen Blutes auswirken“, sagt Seitz. Beispielsweise ließ sich ein Anstieg von ungesättigten langkettigen Fettsäuren im Blut nachweisen. „Inwiefern aber der regelmäßige Verzehr von Chia-Samen das Auftreten beziehungsweise den Verlauf von Krankheiten wie Herzkreislauferkrankungen, Diabetes und Krebs beeinflussen kann, müssen erst noch Studien zeigen“, sagt Gahl. Solange sollten entsprechende Werbeaussagen zu Chia-Samen eher kritisch hinterfragt werden. Außerdem ist zu beachten, dass die kleinen Körner durch ihren hohen Fettgehalt auch viele Kalorien enthalten.
Heimische Produkte als Ersatz für Chia-Samen
Empfehlen Experten nun den Verzehr von Chia-Samen? „Wer sie essen mag, soll das gerne tun. Eine ähnliche Fettzusammensetzung finden Sie aber auch in heimischen Saaten wie Leinsamen, Rapsöl oder Nüssen“, schränkt Seitz ein. Regionale Produkte seien deutlich billiger – ein Kilogramm Chia-Samen kostet im Handel teilweise über 40 Euro, die gleiche Menge Leinsamen unter 5 Euro. Zwar sind Chia-Samen länger haltbar. „Aber in Zeiten des Klimawandels sollte man sich auch fragen, ob man den hohen CO2-Fußabdruck von transatlantisch importierten Lebensmitteln verantworten will“, so Seitz. Damit spricht der Experte den für den Transport der Chia-Samen nötigen Ausstoß von Kohlendioxid in die Atmosphäre und den entsprechenden Energieverbrauch an.
Quelle:Apotheken-Umschau
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