Einsamkeit geht alle an. Fast jeder Zehnte über 45 Jahren fühlt sich einsam und auch Kinder und junge Erwachsene sind stark betroffen. Das Robert Koch-Institut ermittelte in einer Langzeitstudie, dass sich bereits jeder dritte Jugendliche zweitweise einsam fühlt. Dabei hat das Gefühl der sozialen Isoliertheit nichts mit einem Mangel an Kontakten zu tun: „Es fehlt an Zugehörigkeit und tief gehender emotionaler Nähe zu anderen“, erklärt Psychologin Dr. Annegret Wolf von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“.
Das erste Mal allein wohnen
Auch derjenige, der den ganzen Tag unter Leuten war, kann sich von der Welt abgekoppelt fühlen. Neben Singles in Großstädten fühlen sich zudem oft Pendler einsam, weil die erhöhte Mobilität zu einem Prozess der Entwurzelung führt. „Diese Gruppen rutschen zunehmend in den Fokus der Einsamkeitsforschung“, sagt Gesundheitspsychologin Sonia Lippke, Professorin an der Jacobs University in Bremen. Lippke zufolge sind Menschen in bestimmten Lebensphase anfälliger für Einsamkeitsgefühle, zum Beispiel Mitte des dritten Lebensjahrzehnts, „wenn man sich vom Elternhaus abnabelt, auszieht und das erste Mal allein wohnt“. Sowie ab Mitte der 40er, wenn etwa die Eltern versterben oder die eigenen Kinder ausziehen.
Jeder trägt Verantwortung
Auch während des Corona-Lockdowns hat sich das Gefühl der sozialen Isolation verstärkt. Beim Telefondienst des Berliner Vereins „Silbernetz“ hat sich die Zahl der Anrufe während der Kontaktbeschränkungen durch Covid-19 versechsfacht. Etliche regionale Projekte sollen der Einsamkeit entgegenwirken: Das bundesweite Projekt „Wohnen für Hilfe“ vermittelt etwa Studierende und Auszubildende als Mitbewohner an ältere Menschen, bei „Kulturistenhoch2“ aus Hamburg besuchen Junge und Alte gemeinsam etwa Museen oder Theater.
Gemeinsam lässt sich Einsamkeit eben besser bewältigen. In unserer individualistischen Zeit wird oft der Einzelne für seine Einsamkeit verantwortlich gemacht. Dabei trägt jeder Verantwortung – und im Kleinen fängt es an. Auf einer Party heißt das zum Beispiel, auf jemanden zuzugehen, der am Rand steht und sich am Glas festhält.
Quelle:Das Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau“ 9/2020 B