Österreichs Schutzsysteme für Krankheit und Alter sind eng gekoppelt an die Arbeitswelt. Die Digitalisierung könnte alte Vorstellungen von Lohn und Arbeit bald löschen. Beim ersten „Afterwork-Talk“ der OÖGKK diskutierten Top-Experten aus Wissenschaft, Technologie und Politik über ein Upgrade zu einem „Gesundheits- und Sozialsystem 4.0“.
„Von Kind an sind wir eine hohe soziale Sicherheit in Österreich gewohnt. Jetzt stellt sich die Frage: Wie heben wir diese Errungenschaft in eine neue, zusehends digitalisierte Arbeitswelt? Immerhin könnten traditionelle Vorstellungen von Arbeit, Zeit, Raum und Produktivität bald gelöscht sein. Auf diesen Kategorien baut aber unser Sozialsystem auf“, eröffnete OÖGKK-Obmann Albert Maringer den „Afterwork-Talk“ letzten Freitagnachmittag. Das Grundproblem aller Experten und Vorhersagen: Die Zukunft hält sich vielleicht an unsere Prognosen – oder sie kommt ganz anders. Trotzdem muss eine Gesellschaft irgendwie richtig vorbereitet sein.
Eine Organisation muss auch bei Umbrüchen handlungsfähig bleiben. OÖGKK-Direktorin Andrea Wesenauer: „Das Gesundheitssystem 4.0 muss reaktionsschnell und gut steuerbar sein. So können wir technische Innovationen aktiv nutzen. Mächtige und träge Großstrukturen mit langen Entscheidungswegen sind bald Geschichte. Im Vorteil sind flexible Dienstleister, die regional agieren, schnelle Netzwerke aufbauen und rasch persönliche Kundenlösungen entwickeln. Das lehren uns aktuell erfolgreiche Start-Ups.“
Digitale Jobs – sozialer Rahmen
Sozialminister Alois Stöger sieht in der Digitalisierung einen Umbruch der Arbeitswelt von historischer Dimension: „Drei sozialpolitische Fragen müssen jeden Wandel in der Arbeitswelt begleiten: Wie leisten wir einen Beitrag für genügend sinnvolle, anständig bezahlte Arbeitsplätze? Welchen Rahmen brauchen diese Arbeitsplätze, damit wir dort gesund arbeiten können? Und wie vermeiden wir arbeitslose Menschen, die bekanntlich ein besonders hohes Erkrankungsrisiko bekommen?“
Auch Digitales ist gestaltbar
Der Bürgermeister der Innovationsstadt Linz, Klaus Luger, plädiert für einen differenzierten Umgang mit der Digitalisierung: „Auch digitale Entwicklungen sind gestaltbar. Dabei hilft uns aber weder ein Sturm auf die Maschinen, noch die naive Vorstellung, die Digitalisierung mache für jeden alles besser. Viele Menschen sehen eine Bedrohung für ihren Job. Unsere Antwort muss eine solidarische Gesellschaft sein und bleiben. Und wir müssen den Anschluss ans digitale Zeitalter für alle Menschen offen halten, damit möglichst niemand abgehängt wird.“
Mehr Jobs – weniger Geld?
Einen Mangel an Arbeitsplätzen sieht Zukunftsforscher Christian Scharinger nicht, im Gegenteil: „Die Digitalisierung wird uns viele neue Arbeitsplätze bringen. Die Frage ist, welche Jobs das sind, und ob man davon leben kann. Schon heute arbeiten Heerscharen an Microjobbern und Clickworkern zu Stundenlöhnen von wenigen Cent. Die Herausforderung wird sein, dass wir eine solidarische Gesellschaft bleiben. Gerade in einer Zeit, da die Individualität – nicht nur bei Produkten – unser Denken immer stärker einnimmt.“
„Zu menschliche“ Roboter schrecken ab!
Können Roboter künftig Gesundheits- und Pflegaufgaben übernehmen? Auch um diese brisante Frage ging es beim „Afterwork-Talk“. Die Medienpsychologin Martina Mara vom Ars Electronica Center warnte vor vorschnellem Jubel: „Studien zeigen etwas Seltsames: Wir Menschen akzeptieren Roboter, wenn sie uns Menschen anatomisch nachempfunden sind. Aber wenn ein Roboter einem Menschen zum Verwechseln ähnlich sieht und sogar seine Gesichtszüge nachahmt, reagieren wir erschrocken bis wütend. Das heißt: In sozialen Berufen, die Empathie und echte Berührungen erfordern, haben Roboter einen schweren Stand als Mensch-Ersatz.“
Quelle: OÖGKK
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