Foto: Silvia Marks (dpa)
Hamburg – Termine vergessen, Hausaufgaben nicht gemacht, Jacke verschlampt: In der Pubertät gleicht das Gehirn vieler Teenager einem Sieb.
«Das ist ganz normal für dieses Alter», sagt Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinderpsychiatrie und -psychosomatik im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. In der Pubertät finden große Umbauprozesse im Gehirn statt.
Hinzu komme ein verändertes Zeitgefühl, sagt Schulte-Markwort: «Jugendliche haben Tage und Wochen nicht im Gefühl, sie leben sehr im Augenblick.» Auch das Wörtchen «gleich», das Jugendliche auf die Bitte um Erledigungen gerne benutzen, sei zeitlich sehr dehnbar. Schulte-Markwort rät Eltern, sich darüber nicht aufzuregen, auch wenn es anstrengend ist.
Auch Dieter Scholz, Coach und Elternberater aus Gundelfingen bei Freiburg, rät Eltern zu Gelassenheit: «Für die Kinder selbst ist die Vergesslichkeit ja schon anstrengend genug, da müssen die Eltern nicht noch zusätzlichen Druck machen.» Die Phase der Pubertät sei generell geprägt von so vielen Anforderungen und Einflüssen, dass es nur eine logische Konsequenz sei, wenn Dinge durch das Raster fallen.
Dass in der nächsten Woche ein Zahnarzttermin ansteht, wird dann vielleicht einmal abgespeichert, abgerufen jedoch nicht: «Das Gehirn der Kinder ist mit anderen, wichtigeren Sachen beschäftigt», sagt Elisabeth Raffauf, Diplompsychologin und Autorin des Ratgebers «Pubertät heute» aus Köln. Viele Eltern fühlten sich dann persönlich angegriffen, wenn die Jugendlichen zum wiederholten Male genau das Gegenteil von dem tun, was sie kurz vorher noch versprochen haben.
Doch wie geht man konkret mit der Vergesslichkeit um? Müssen Eltern zum Erinnerungs-Boten werden? «Warum nicht?», fragt Scholz. «Wenn es den Eltern selbst wichtig ist, können sie doch kurz etwas sagen, anrufen oder eine SMS schreiben.»
Um ständigen Stress in der Familie zu vermeiden, sei ein grundsätzliches Gespräch geeignet. In ihm wird geklärt, wie man zukünftig mit Vergesslichkeiten umgeht und diesen vorbeugt. «Fragen Sie Ihr Kind, welche Unterstützung es gebrauchen kann», rät Scholz. Ob ein Zettel auf dem Küchentisch, ein Familienplaner, Erinnerungsnachrichten per Whats-App oder eine abendliche Besprechung des kommenden Tages: «Probieren Sie verschiedene Sachen aus.»
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