Münster – Der Wettlauf um eine Alzheimer-Therapie geht weiter. Auf der Konferenz der Alzheimer’s Association in Washington, D.C. wurden neue Studiendaten für die drei vielversprechendsten Kandidaten vorgestellt. Die Fachwelt ist uneins, wie die Ergebnisse interpretiert werden sollen. Dabei haben insbesondere zwei Wirkstoffe bewiesen, dass sie auf Kurs liegen.
Mit Spannung waren die neuen Ergebnisse aus den Studien für die Wirkstoffe Solanezumab (Eli Lilly), Aducanumab (Biogen) und Gantenerumab (Roche) erwartet worden. Würde ein Wirkstoff die hohen Erwartungen erfüllen? Die Reaktionen auf die Daten, die am Mittwoch vorgestellt wurden, waren verhalten optimistisch bis enttäuschend. Haben die Wirkstoffe versagt? Nein. Aber sie sind Opfer der großen Hoffnungen und des Medienhypes geworden.
Im März hatten Studiendaten der Phase 1b für Aducanumab für Jubelstürme gesorgt. Der Wirkstoff hatte sowohl das Fortschreiten der Krankheit als auch die Bildung der Beta-Amyloid Plaques im Gehirn, die sehr wahrscheinlich Alzheimer verursachen, statistisch signifikant verringert. Getestet worden waren Dosen mit 1 mg, 3 mg und 10 mg Wirkstoff über einen Zeitraum von 54 Wochen.
Zwischenergebnisse weisen in verschiedene Richtungen
In Washington wurden jetzt die Daten für die 6 mg Dosis präsentiert – mit der Hoffnung, dass sie ins Bild passen. Leider ist das nur teilweise der Fall. Die Reduzierung der Plaques erfolgte zwar, das Fortschreiten der Krankheit wurde aber nicht signifikant gehemmt. Von Flop und Enttäuschung schrieben amerikanische Medien – und taten Aducanumab damit Unrecht. Die Daten einer Dosis sind – vor dem Hintergrund der vorher sehr guten Ergebnisse – nicht so gut wie erwartet. Den Wirkstoff, da sind sich Experten einig, macht das nicht zu einer Enttäuschung. Biogen sagte in einer Pressemitteilung, dass man ermutigt sei und nun Teilnehmer für die anstehende Phase III Studien suche – auch in Deutschland.
Deutlich positiver machen sich die Daten aus, die Eli Lilly für Solanezumab vorgelegt hat: Die Ergebnisse aus einer Phase-III-Studie zeigen, dass der Wirkstoff das Fortschreiten bei leichten Alzheimer-Erkrankungen deutlich verringert. Erzielt wurden die Ergebnisse durch eine sogenannte Follow-on-Analyse. Die laufende Studie wurde verlängert, die Placebo-Gruppe bekam jedoch nun auch den Wirkstoff. Das Ergebnis: Das Fortschreiten der Symptome glich sich in beiden Gruppen in der Geschwindigkeit an, wurde in der vorherigen Kontrollgruppe langsamer. Die einmal angerichteten Schäden im Gehirn konnten jedoch nicht wieder aufgehoben werden.
Weitere Studien notwendig
Roche hatte im vergangenen Dezember die laufende Phase-III-Studie für Gantenerumab abgebrochen, den Beta-Amyloid-Antikörper aber nicht aufgegeben. 2016 soll eine neue Studie starten.
Der Rückenwind, den Eli Lilly jetzt für seine Ergebnisse in vielen Medien bekommt, ist nur gefühlt. Im Gegensatz zu Biogen hat Eli Lilly zwei gescheiterte Studien hinter sich. Erst die Konzentration auf die leichte Form von Alzheimer hat das Blatt gewendet. Lediglich der Eindruck ist daher positiver. Alle drei Wirkstoffe bleiben die hoffnungsvollsten Kandidaten für die erste Alzheimer-Therapie. „Die Ergebnisse sind gute Neuigkeiten – genauso, wie die Vorhersage von gutem Wetter gute Neuigkeiten sind. Das heißt aber nicht automatisch, dass es wirklich gutes Wetter geben wird“, kommentierte Prof. John Hardy vom University College London für das britische Science Media Center. Heißt: Weitere Studien müssen Klarheit bringen.
Frühe Diagnose über Speichel
Einen wichtigen Hinweis gibt aber vor allem die Studie von Eli Lilly: „Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass wir die beste Chance haben, wenn wir Patienten in frühen Stadien der Krankheit behandeln“, sagt Dr. Doug Brown, Forschungsleiter der amerikanischen Alzheimer Gesellschaft. Damit rückt die frühe Diagnose in den Vordergrund. Das Problem laut Eric Siemers, Medical Director des Alzheimer-Teams von Eli Lilly: Die Beta-Amyloid-Plaques sammeln sich über zehn bis 15 Jahre an und schädigen Nervenzellen, bis sich die ersten Symptome zeigen.
Auch die Suche nach neuen Biomarkern, mit denen dieses Dilemma gelöst werden könnte, war daher ein wichtiger Teil bei der Alzheimer-Konferenz in Washington. Kanadische Forscher haben eine Studie vorgelegt, die über einen Speicheltest eine Diagnose von Veränderungen im Gehirn ermöglichen soll, die auf eine Alzheimer-Erkrankung hinweisen könnten. Zahlreiche andere Biomarker wurden als potenzielle Hinweisgeber auf eine Alzheimer-Erkrankung vorgestellt. Bislang waren die Theorien jedoch immer deutlich besser als die Resultate. Das Rennen geht weiter, auf vielen Strecken.