Vegane Ernährung will gut überlegt sein: So lautet ein Fazit einer DGE-Fachtagung am 22. September 2016 an der Universität Hohenheim
Vom Bioladen bis zum Discounter: Vegane Lebensmittel boomen. Doch anders als viele Verbraucher glauben, ist eine vegane Ernährung nicht automatisch gesünder. Im Gegenteil: Wer einfach tierische durch pflanzliche Produkte ersetzt, riskiert Mangelerscheinungen.
Wie es sich ohne tierische Produkte ausgewogen leben lässt, was Verbraucher von veganen Produkten erwarten und wie die Lebensmittelindustrie diesen Erwartungen gerecht werden will, war Thema beim 23. Ernährungsfachtag der Sektion Baden-Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.
Algenpulver als Ersatz für Butter und Ei in Backwaren, Soja-, Reis- und Haferdrinks statt Kuhmilch und Tofu statt Fleisch: Eine wachsende Zahl an Produkten machen es heute möglich, auf tierische Lebensmittel zu verzichten. „Vegane Ernährung treibt derzeit Innovationen auf dem Lebensmittelmarkt an“, beobachtet Prof. Dr. Peter Grimm, Geschäftsführer der Sektion Baden-Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE-BW).
Die meisten Veganer verzichteten aus ethischen Gründen auf den Verzehr tierischer Produkte, denn die rein pflanzliche Ernährung steht auch in dem Ruf, besonders gesund zu sein – ein gefährlicher Fehlschluss, wie Prof. Dr. Grimm weiß: „Die Annahme, bei veganer Ernährung automatisch gesund zu leben, ist falsch.“
Vegane Ernährung: gut beraten lassen
Ein Grund: Durch die gestiegene Nachfrage hat sich der Markt für vegane Nahrungsmittel inzwischen dem normalen Markt angeglichen. Viele der angebotenen Lebensmittel seien hoch verarbeitete Fertigprodukte, die mit Zusätzen versehen sind und mit gesunder Ernährung nur noch wenig zu tun haben, so Prof. Dr. Grimm: „Ob vegan oder nicht vegan: Fertigprodukt ist Fertigprodukt.“
Auch bei einem veganen Lebensstil gelte es, auf ausgewogene Ernährung zu achten. „Selbst bei veganen und Bio-Produkten gilt: um einen gesundheitlichen Vorteil zu bekommen, muss man sein Ernährungsverhalten im Auge behalten.“
Der Ernährungswissenschaftler rät daher dazu, sich bei der Entscheidung zum Verzicht auf tierische Produkte qualifiziert beraten zu lassen. „Wer sich vegan ernähren möchte, muss sich intensiv damit beschäftigen.“
Risiko Mangelernährung
Ein gesundheitliches Risiko der veganen Ernährung sieht der Ernährungswissenschaftler bei der Nährstoffzufuhr. Wer tierische Produkte einfach durch pflanzliche ersetze, so Prof. Dr. Grimm, riskiere seine Gesundheit: „Pflanzliche Ersatzprodukte für Fleisch und Milch liefern manche Nährstoffe einfach nicht, zum Beispiel Vitamin B12.“
Zwar würden Produkte wie Algen oder Shiitake-Pilze als Lieferanten für Vitamin B12 beworben. „Doch nur weil das Vitamin in diesen Produkten enthalten ist, heißt das noch lange nicht, dass der Körper es auch daraus gewinnen kann.“ Nach dem heutigen Wissensstand sei das bei den meisten Menschen nicht in ausreichender Menge möglich.
Ohne Nahrungsergänzungsmittel geht es nicht – und auch dann nicht für jeden
Der Mangel an Vitamin B12 könne allerdings durch Nahrungsergänzungsmittel, zum Beispiel in Form von Vitamintabletten, ausgeglichen werden, so Prof. Dr. Grimm. Für einige Bevölkerungsgruppen sei aber auch das nicht ausreichend: „Für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche kann man eine vegane Ernährung nicht empfehlen, da diese Gruppen mehr Nährstoffe brauchen.“
Kinder und Jugendliche, die sich im Wachstum befinden, reagierten sehr empfindlich auf Nährstoffmangel. Prof. Dr. Grimm spricht sich daher entschieden gegen Empfehlungen für rein vegane Verpflegung an Kitas und Schulen aus. „Vegane Ernährung an Kitas und Schulen trifft auch Haushalte, die diese Ernährung zuhause nicht umsetzen können – sei es aus Gründen der Motivation, des Wissens oder des Geldes. Eine ausgewogene Ernährung ist damit nicht gegeben.“