Interview mit Roderich Kiesewetter.
Die Trinkwasserversorgung der Bundesrepublik Deutschland sollte keiner weiteren Privatisierung unterliegen und von kommunaler Hand geführt werden, das ist der Wunsch vieler. „Diesen Wunsch unterstützt die CDU im Interesse der Menschen in Deutschland“, betont Roderich Kiesewetter MdB CDU/CSU.
Berlin. Die europäische, bürgerliche Initiative „right2water“ konnte weit über 1,8 Millionen Unterschriften gegen die von der EU geplanten Privatisierung der Wasserversorgung sammeln. Die vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde zu einer erheblichen Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung und Handlungsspielräume führen. „Eine Liberalisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür könnte gewachsene Strukturen zerstören“, befürchtet der schwäbische CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter.

Bereits in einigen europäischen Städten wurde festgestellt, dass fehlende Investitionen und Wartungen seitens der beauftragten Unternehmen, die Qualität des Trinkwassers verschlechtere. Die „öffentliche Hand“ hingegen hat das Allgemeinwohl im Auge. Wie kann bezahlbare Qualität gesichert werden?
Bezahlbare Qualität kann dadurch gesichert werden, dass die Summe, die durch Abgaben und Gebühren eingenommen wird, auch wieder reinvestiert wird. An dieser Stelle müssen die Politik und die Kommunen enger zusammen arbeiten, damit eben dies auch gewährleistet werden kann. Hier gilt das Prinzip dezentraler Subsidiarität und nicht der „Bevormundung von oben“. Das ist der Vorteil, den die öffentliche Hand hat: Für sie ist es einfacher, die Einnahmen wieder komplett zu investieren, da im Hintergrund keine Investoren und Aktionäre sitzen, die eine Rendite erwarten.
Brüssel hat nun nach dem ersten Protestansturm angekündigt die Privatisierung nicht weiter zu verfolgen. Sollte eine solche gesellschaftspolitische Entscheidung für Deutschland nicht im Bundestag getroffen werden?
Zunächst einmal ist hier zu erwähnen, dass es sich dabei um eine Ankündigung aus dem Jahre 2013 handelt. Alle Befürchtungen sind längst überholt! Seitdem hat die Privatisierung von Trinkwasser keine Relevanz mehr für uns. Die EU-Kommission hat ihre Pläne für eine europaweite Ausschreibung der Wasserversorgung von Stadtwerken aufgegeben. Es wird also bis auf Weiteres keine Privatisierung von Wasserwerken in Deutschland geben.

Brüssel ging es in erster Linie gar nicht darum die Trinkwasserversorgung zu privatisieren. Vielmehr solle es in der EU auf den Märkten Wettbewerb geben, was nur dann möglich ist, wenn es keine staatlichen Monopole gibt, sondern auf einem freien Markt öffentliche Ausschreibungen möglich sind.

Aber es ist ja nicht so, dass der Bundestag diesbezüglich kein Mitspracherecht hat. Im Nachhinein ist es gelungen, dass die Privatisierung nun endgültig vom Tisch ist. Also, bloß keine Sorgen mehr machen!

Und gilt das nicht ebenso für andere Staaten? Sollte nicht individuell entschieden werden?
Für andere Staaten kann ich nicht sprechen. Deutschland ist mit seinem System der kommunalen Selbstverwaltung einzigartig. Die Kommunen haben das in Art. 28 II GG verfassungsrechtlich verankerte Recht einen Großteil ihrer Aufgaben selbst wahrzunehmen. Die Wasserwerke sind ein Teil davon.

Wie es diesbezüglich in anderen Ländern aussieht, kann ich nicht sagen. Jedenfalls ist die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland unangreifbar. Das sollte uns alle beruhigen.

Ist es möglich durch eine Ergänzung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland die Privatisierung der Trinkwasserversorgung zu verhindern?
Grundsätzlich ist es mit einer 2/3 Mehrheit im Bundestag möglich, das Grundgesetz zu ändern, da auf den ersten Blick kein Widerspruch mit diesem ersichtlich ist. Das Grundgesetz schützt zwar in Art. 14 das bereits bestehende Eigentum vor Enteignung. Aber eine Privatisierung gar nicht erst entstehen zu lassen, steht dem nicht entgegen.

Länder wie die Niederlande und Italien haben es vorgemacht: In den Niederlanden wurde 2000 die Privatisierung des Trinkwassers per Gesetz verboten und in Italien erfolgte das Verbot durch das Verfassungsgericht.

In Deutschland erfordert eine Ergänzung des Grundgesetzes jedoch

einen langwierigen und komplizierten Akt der Gesetzgebung. Das ist das einzige, dessen man sich bewusst sein muss, dass es nicht von heute auf morgen geht. Aber hinsichtlich meiner weiter oben gemachten Ausführungen besteht keine Gefahr einer Privatisierung, es sei denn die Kommunen wollen es selbst so, aber das ist tatsächlich Sache der Kommunen und ihrer Einwohnerschaft.

Führen private Beteiligungen an kommunalen Eigengesellschaften automatisch zur Ausschreibungspflicht im Falle einer Neuvergabe der Konzession?
Eine Ausschreibepflicht besteht dann, wenn das kommunale Unternehmen neben der eigenen auch andere Kommunen beliefert und dadurch die Stellung eines wirtschaftlichen Unternehmens einnimmt, welches am Markt aktiv ist. Denn in diesen Fällen ist es nicht mehr durch den Heimatmarkt geschützt.

Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt.

Gibt es die Option einer Tariftreue-Klausel?
Die Frage nach einer Tariftreue-Klausel stellt sich gar nicht. Tariftreue-Klauseln sind nur dann von Belang, wenn private Unternehmen Aufträge aus öffentlichen Ausschreibungen wahrnehmen. Durch diese Klauseln wird sichergestellt, dass die Arbeitnehmer nach den geltenden Tarifen bezahlt werden. Da es aber eine solche Situation in Deutschland im Rahmen der Trinkwasserversorgung nicht gibt, muss es auch keine Option für eine Tariftreue-Klausel geben.
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