Berlin – Placebo bedeutet «Ich werde gefallen». Dieser Effekt tritt ein, wenn ein Mittel ohne Wirkstoff Schmerzen lindert. Der Nocebo-Effekt ist das negative Pendant und bedeutet «Ich werde schaden». Es handelt sich um negative Reaktionen des Körpers auf eine medizinische Behandlung – hervorgerufen durch negative Einstellungen, Angst oder frühere negative Erfahrungen, wie die Ärztin Christiane Roick vom AOK Bundesverband erläutert. Auf manche hat etwa die lange Liste der möglichen negativen Begleiterscheinungen des Präparates diesen Effekt: Sie fühlen sich durch den Beipackzettel derart verunsichert, dass sich Beschwerden tatsächlich einstellen.
«Die Psyche ist derart mächtig, dass sie Beschwerden auslösen kann», sagt Psychiater und Hochschullehrer Prof. Gerhard Gründer. Ist in der Packungsbeilage beispielsweise die Rede davon, dass ein Medikament Rückenschmerzen verursachen kann, dann bekommen einige tatsächlich welche. In anderen Fällen verschlimmern sich die Symptome. «Das kann sogar so weit gehen, dass Patienten angezeigte und für ihre Gesundheit wichtige Therapien nicht fortführen», erklärt Roick.
«Die Existenz von Nocebo-Effekten ist wissenschaftlich sehr gut belegt», sagt Prof. Ulrike Bingel von der Klinik für Neurologie der Universitätsklinik Essen. Sie gehört zu einem Forscherteam, das sich mit Placebo- und Nocebo-Effekten beschäftigt. Bingel verweist auf Studien, wonach die Bedeutung von Nocebo-Effekten für das Scheitern von medizinischen Behandlungen im klinischen Alltag oft unterschätzt wird. Bei anderen Studien wurden Medikamente mit Placebos verglichen. In der Placebogruppe finden sich oft ähnlich häufig Nebenwirkungen wie in der Wirkstoffgruppe – ein klarer Hinweis auf Nocebo-Effekte. Trotzdem muss jede mögliche Nebenwirkung aufgelistet werden, das ist gesetzlich vorgeschrieben.
«Nocebo-Effekte lassen sich nicht mit Sicherheit vermeiden», erklärt Roick vom AOK Bundesverband. Hilfreich kann aber sein, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass auch eigene Erwartungen und Einstellungen einen Einfluss auf die medizinische Behandlung haben.
«Wenn ein Patient durch eine in der Packungsbeilage aufgezählte mögliche Nebenwirkung verunsichert ist, dann kann er beim Arzt oder Apotheker fragen, wie häufig überhaupt die negative Begleiterscheinung bislang aufgetreten ist», sagt die Mannheimer Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Doris Wolf. Dann sollte sich der Patient vor Augen führen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet er betroffen sein wird, nicht unbedingt gegeben ist. Sie empfiehlt außerdem, Katastrophenfantasien bewusst zu durchbrechen. «Hilfreich kann auch sein, Berichte und Biografien von Menschen zu lesen, die die Krankheit überwunden haben», sagt sie.